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Innenhof S21 Gefängnis Phnom Penh

Tuol Sleng aka S21 – Genozid Museum

Nach Kambodscha zu reisen bedeutet für uns auch sich mit der Geschichte des Landes zu beschäftigen. Klar!
Nur in wie weit?

Selbstverständlich fällt hier umgehend der Name Ankor Wat. Doch soweit muss man gar nicht in der Geschichte des Landes Kambodscha zurück blättern. Knapp vierzig Jahre ist es her als die Roten Khmer Ihr Unwesen auf schrecklichste Art und Weise trieben und eine Spur der Verwüstung, Tod und Angst durch das Land zogen.

Der Besuch des Tuol Sleng wird von uns nicht ausdrücklich empfohlen, aber auch möchten wir von einem Besuch nicht abraten. Tuol Sleng ist definitiv keine klassische „Sehenswürdigkeit“ Kambodschas. Unserer Meinung nach, sollte jeder der Kambodscha besucht sich auch mit der Geschichte und Kultur des Landes beschäftigen, doch jeweils für sich entscheiden wie tief er in die Geschichte eintauchen möchte.

Bilder des Schreckens

Im folgenden Bericht wirst Du Einzelheiten zu Folter lesen, die verstörend wirken können und brutal sind. Wir schreiben diesen Bericht um damit unseren kleinen Beitrag zu leisten, dem Vergessen entgegenzuwirken. Um all die Opfer nicht zu vergessen!

Geschichte Kambodschas Anfang der Kolonialzeit bis 70er & 80er Jahre

Nach dem zweiten Weltkrieg und dem ersten Indochinakrieg erlangte das Land unter König Norodom Sihanouk 1954 seine Unabhängigkeit und beendete somit die Kolonialzeit. Allerdings destabilisierten der Vietnamkrieg sowie das Machtspiel zwischen den USA und UdSSR/China die kambodschanische Politik und führte 1970 zum Militärputsch durch den General Lon Nol gegen den damaligen König.

Als Gegenbewegung zur Militärregierung von Lon Nol entstanden die kommunistisch geprägten Roten Khmer. 1975 übernahmen sie die Macht und damit begann die Schreckensherrschaft. Bis zum Pariser Friedensvertrag 1991 fielen ihnen ca. 2 Millionen Menschen zum Opfer – darunter viele oppositionelle Gegner, Intellektuelle und Mönche.

Traurige Höhepunkte dieser Diktatur waren das berüchtigte Foltergefängnis S-21 (Tuol Sleng) in Phnom Penh, die abscheulichen Massenmorde der Killing Fields und der allgemeine Völkermord an der eigenen Bevölkerung. In den 80er Jahren kämpfte insbesondere die vietnamesische Armee gegen die Herrschaft der Khmer und besetzte währenddessen weite Teile Kambodschas. Auch nach Abzug der Vietnamesen 1989 und der Schwächung der Roten Khmer kam es bis Ende der 90er immer wieder zu gewaltsamen Konflikten und Bürgerkriegen. Im Jahr 1993 wurde das Land dann von einer Diktatur wieder zur konstitutionellen Monarchie und König Norodom Sihanouk wieder zum König.

Die Geschichte Kambodschas ist schrecklich. Zugleich auch schrecklich jung. 1975, als Pol Pot und seine Roten Khmer ganze Städte leerten, Menschen zu Feldarbeit zwangen, Unterricht, Kunst und Religion verboten. Die Errichtung eines kommunistischen Agrarstaates als Idee – Folter, Hunger und Tod als Folge. Innerhalb von vier Jahren wurde ein halbwegs stabiles Land komplett umgekrempelt und zurück in die totalitäre Planwirtschaft versetzt. Die jetzigen Jugendlichen in Kambodscha sind die erste Generation seit langer Zeit, die ohne Krieg und Tod aufwachsen darf.

Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierung und den Roten Khmer dauerten noch bis zum Jahre 1997, als der Anführer der Roten Khmer, Pol Pot, schließlich von einem nationalen Gericht verurteilt wurde.

Tuol Sleng aka S21 – Die Schule

Die Tuol Svay Pray High School liegt auf einer staubigen Straße am Stadtrand von Phnom Penh, Kambodscha. Im Jahr 1976 benannten die Roten Khmer das Gymnasium S-21 um und verwandelten es in ein Folter-, Verhör- und Hinrichtungszentrum. Von den 12.000 – 20.000 bekannten Personen haben nur 12 Menschen überlebt. Die Roten Khmer verhörten die Gefangenen nicht nur, sie haben die große Mehrheit der Insassen sorgfältig fotografiert und ein erstaunliches Archiv geschaffen. Jedes der fast 6000 S-21 Porträts, die wiedergefunden wurden, erzählt eine Geschichte von Schock, Horror, Verwirrung, und Aufgabe.

Es gibt viele ehemaligen Foltergefängnisse in ganz Kambodscha. In Phnom Penh ist das damalige „Office 21“ heute eine Gedenkstätte des Genozides an der kambodschanischen Bevölkerung und für Besucher zugänglich. Wie bereits geschrieben war das Gefängnis vor der Zeit der Roten Khmer eine Schule. Die Klassenzimmer sind zu Gefängniszellen umfunktioniert worden. In jeder Zelle steht ein Bett, zum Teil sind auch die Fesseln oder andere Gegenstände beim Bett platziert. An der Wand hängen Bilder von den Leichen, die in den jeweiligen Räumen gefunden wurden. Es besteht aus vier Hauptgebäuden (A-D).

Nachdem die Schergen von Pol Pot in Phnom Penh einmarschierten, war die Stadt innerhalb von wenigen Tagen menschenleer. Auch in allen anderen Städten des Landes wurden die Einwohner gezwungen ihre Unterkünfte zu verlassen und auf dem Land zu Leben. Das bedeutete Märsche von zum Teil mehreren Monaten, wobei vor allem Alte und Kinder an Erschöpfung oder Unterernährung starben. Pol Pot und die Roten Khmer waren paranoid. Überall sahen sie Feinde.
  • Wer einer Fremdsprache mächtig war, war Feind des Regimes.
  • Wer religiös war, war Feind des Regimes.
  • Wer Arzt, Lehrer, Anwalt oder Musiker war, war Feind des Regimes.
  • Überhaupt wer einigermaßen gebildet war. Wer lesen konnte, war Feind des Regimes. Es genügte schon eine Brille zu tragen, um als Feind des Regimes zu gelten. 
Alle Menschen, die eines dieser „Kriterien“ erfüllten, wurden mehrfach verhört, gefoltert und anschließend getötet. Teilweise sind an den Wänden immer noch Blutspritzer zu sehen. Sogar an der Decke ist noch getrocknetes Blut vorhanden.
Die Roten Khmer haben ihre Folterungen peinlichst genau festgehalten. Der Leiter des S21, „Genosse Duch“ (Kaing Guek Eav)) dokumentierte und perfektionierte die Foltermethoden, wie z.B. Elektroschocks, Auspeitschen, Schlaf- und Essensentzug, Waterboarding. Es gibt Abschriften von Verhören, genaue Aufzeichnungen von Folterungen. Jeder Insasse wurde fein säuberlich dokumentiert, fotografiert und zum Teil sogar der ganze Lebenslauf festgehalten. In den meisten Fällen wurde die ganze Familie eines Gefangenen ebenfalls inhaftiert, damit niemand übrigblieb, um später die Toten zu rächen. Die Anweisung von Duch lautete, dass es keine Toten im S21 geben sollte. Ausschließlich foltern um das Geständnis der „Spione“ innerhalb der Roten Khmer herauszupressen. Keine Toten! Dies gelang nicht immer, sehr zum Ärger des Folterspezialisten Duch. Der Tod folgte auf den Killing Fields. Auch Touristen aus dem Westen wie der Segler John Dawson Dewhirst wurden entführt und in das S21 verschleppt. Ziel: Folter und Auspressen der Spione bei der CIA. In seiner Not nannte er angebliche Verbündete bei der CIA wie Seargeant Pepper und andere Pop-Ikonen der damaligen Zeit. Die Roten Khmer suchten dann nach den Genannten. Dies alleine zeigt schon die Verwirrtheit der Roten Khmer.
Jeder Gefangene musste sich strengen Vorschriften (siehe Bild oben) unterwerfen; so waren Lachen, Weinen, Sprechen und sonstige Kommunikation verboten. Zuwiderhandlungen wurden mit Prügelstrafe oder Elektroschocks geahndet, wobei die Opfer nicht schreien durften. Jede Handlung bedurfte der Erlaubnis des Wachpersonals. Die schlechten hygienischen Zustände führten zu Läusebefall und Krankheit. Manche „Bessergestellten“, das heißt wichtige Mitglieder der Gesellschaft, wurden in Einzelzellen gefangen gehalten und an ein Gitterbett gekettet. Andere Insassen wurden in Einzelzellen von etwa 2 Quadratmetern untergebracht und an die Wand gekettet. Diese Einzelzellen entstanden durch weitere Unterteilung der ehemaligen Schulklassenräume. Als Toilette stand den Gefangenen ein etwa schuhkartongroßer amerikanische Munitionskasten zur Verfügung, dessen Spuren am Boden noch heute zu sehen sind.

Auf dem Klettergerüst haben während der high school Zeit hier die Kinder gespielt. Was aussieht wie ein Galgen ist ein perfides Folterinstrument! Hier wurden Gefangene aufgehängt, an den Händen, die hinter dem Rücken zusammengebunden waren. Wenn sie ohnmächtig wurden, hat man sie mit dem Kopf voran in Dreckwasser getaucht, damit sie wieder zu Bewusstsein kommen und die Folterer weitergehen kann. Das mehrstufige Reck ein paar Meter weiter erinnert an glücklichere Tage, als der Hof des Foltergefängnisses noch ein Pausenhof für Schüler war.
Dokumentiert werden die Foltermethoden der Roten Khmer im Block D unter anderem auf den Bildern des kambodschanischen Malers Vann Nath, einer der Überlebenden im S-21. Im Hof des ehemaligen Gefängnisses und heutigen Museums sind die sterblichen Überreste der letzten Folteropfer unter weißen, rechteckigen Steinquadern beerdigt.

Killing Fields

Wer die Hölle im S-21 Gefängnis überlebt hat, wurde schließlich auf den Killing Fields umgebracht. In der Nacht wurden die Gefangenen etwas außerhalb von Phnom Penh gefahren und dort umgebracht.
In Phnom Penh gibt es zwei Gedenkstätten. Die eine ist das Genozid Museum Tuol Sleng, das frühere Foltergefängnis S-21 bzw. die ehemalige High School von Phnom Penh. Die andere sind die Killing Fields. Beide Orte sind genau so schrecklich wie sie sich anhören. Wir haben lediglich das Tuol Sleng besucht, da das Thema Killing Fields dort ebenfalls behandelt wird. Wir haben im S21 über drei Stunden verbracht. Mit einem Audioguide und Fotos wird die Geschichte sehr nah rübergebracht. Danach standen wir schweigend am Mahnmal für die Toten, schweigend und mit kurzem Nicken zu Mitarbeitern gaben wir den Audioguide ab und gingen zum einem kleinen Café. Wir brauchten Abstand um das eben Erlebte zu verdauen und uns darüber zu unterhalten. Das war harte Kost.

Irgendwie sehen wir die Bewohner Kambodschas nun mit anderen Augen und fahren mit dem TukTuk Richtung Zentrum. Für uns reicht es heute…

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