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Das Gefühl auf Weltreise zu sein

Wie fühlt sich das an auf Weltreise zu sein? So lange unterwegs sein ohne einen festen Zeitplan? Ist das wie ein nicht endender Urlaub? Ist es so, wie ihr euch das vorgestellt haben? Diese und ähnliche Fragen bekommen wir ab und zu gestellt. Und dann horchen wir in uns hinein. Wir sind jetzt seit sechs Monaten auf Reisen und das Gefühl hat sich von den ersten Tagen bis jetzt gar nicht so stark verändert: Es ist spannend und fühlt sich gut an! Sehr gut sogar. Nicht immer, aber meistens. In diesem Beitrag beantworten wir die oben stehenden Fragen und lassen euch einen Blick hinter die Kulissen werfen und erzählen, was wir uns anders vorgestellt haben.

Der Arbeitsplatz reist anfangs noch mit...

In den ersten Wochen war es noch sehr ungewohnt immer weiter zu reisen. Da hatten wir den letzten Arbeitstag vor der Abreise noch im Kopf. DAS war ein komischer Tag. Einerseits wussten wir es ganz genau, weil wir uns von den Kollegen verabschiedet haben. Andererseits war das längst nicht im Unterbewusstsein angekommen, dass wir am darauffolgenden Montag NICHT wieder im Büro sitzen werden. Das Verabschieden hat sich sehr merkwürdig angefühlt.

Die eine Woche bis zur Abreise ist dann einfach nur verflogen. Treffen mit Freunden, letzte Dinge für die Reise besorgen, Abschiedsessen mit der Familie und natürlich Koffer bzw. Rucksack packen! Das war eine Herausforderung.

Rucksack packen!

Ich habe mich tatsächlich schon Monate vor Abflug auf den Tag des Packens gefreut, weil ich dann endlich die Entscheidung treffe, was ich alles mitnehme und später nicht mehr die Qual der Wahl habe, was ich anziehe etc. Denn entweder hab ich die gewünschte Kleidung dabei oder eben nicht. Bis dahin war es allerdings noch ein langer Weg. Einige Dinge wie Wanderschuhe, Laufschuhe und Flipflops waren gesetzt. Kamera und Hygieneartikel ebenfalls. Also Shirts, Hosen, Unterwäsche und so weiter zusammensuchen, im Internet bei anderen Weltreisenden spicken und versuchen alles in den großen und den kleinen Rucksack zu packen. Die Rucksäcke waren voll. Richtig voll.

Unsere geliebte Solarlampe musste gleich als erstes dran glauben und ist daheim geblieben. Auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Bei dem vielen ein- und auspacken hätten wir uns bestimmt geärgert, dass sie immer im Weg ist. Dafür haben einige äußerst praktische Geschenke den Weg in und an unsere Rucksäcke gefunden. Vielen Dank dafür!
Nach sechs Monaten auf Weltreise kennen wir uns mit dem Inhalt unserer Rucksäcke ziemlich gut aus und finden das Gesuchte recht schnell. Viele Möglichkeiten gibt’s ja nicht wo was sein kann. Hihi. Nachdem wir ein paar Male den Ort bzw. die Unterkunft gewechselt haben, hat der Inhalt unserer Rucksäcke seinen festen Platz. Deshalb ist klar, dass die Stirnlampe zum Beispiel IMMER im Daypack ist. Das erspart uns unheimlich viel Gesuche und Nerven, weil wir Angst haben, die Lampe irgendwo vergessen zu haben…

Wann macht es "klick"?

Das haben wir uns von Anfang an gefragt. Wann kommt der Moment, in dem wir innerlich auf Weltreise-Modus umgestellt sind? Kommt der Moment überhaupt? Bei uns nicht. Es gab nicht den EINEN Augenblick indem wir erfassen, dass unser Leben jetzt aus reisen besteht. Zumindest bisher nicht. Es war eher so, dass wir uns zwischendurch immer mal wieder gegenseitig zwicken, weil es sich so unglaublich anfühlt. Vielleicht macht es irgendwann noch „klick“, vielleicht nicht. Entscheidend ist, dass es sich gut anfühlt und Spaß macht und wir mit unserem neuen Alltag zurecht kommen.

Ein neuer Rhythmus

Von einer auf die andere Woche hatten wir einen neuen Rhythmus. Der besteht nun aus regelmäßiger Planung der weiteren Reiseroute, der nächsten Unterkunft und den Sehenswürdigkeiten der Stadt oder der Region. Selbstverständlich hat jeder von uns seine persönliche Bucket-List vor der Reise erstellt. Diese haben wir dann voller Vorfreude zusammengefasst.

Alle paar Tage bemühen wir die Reise-Apps um Routen, Entfernungen, Flüge und Kosten zu checken. Das ist einerseits spannend und andererseits ist es manchmal anstrengend. Denn überall fangen wir bei Null an und vergleichen Standorte und Kosten für alles mögliche. Da haben wir inzwischen eine gewisse Routine entwickelt, die ganz gut klappt.

Wir versuchen langsam zu reisen. Heißt: Wir versuchen mindestens eine Woche an einem Ort zu bleiben. In Malaysia ist uns dies noch nicht ganz gelungen, mit der Zeit wurden wir routinierter. So können wir in Ruhe die Gegend erkunden, entdecken hier und da mal ein Lieblings-Café oder -Restaurant für uns und kommen nach und nach mit Land & Leuten enger zusammen. Außerdem fühlt es sich entspannt an, den Weg zum nächsten Supermarkt zu finden ohne eine App benutzen zu müssen.

Die Außenwirkung einer Weltreise...

Ja, wir sehen tolle Orte, die nach Urlaub aussehen.
Ja, wir stellen meistens nur die schönsten Fotos in unsere Blog oder bei Instagram online.
Ja, wir freuen uns total darüber, dass wir auf Weltreise sind.
Uns ist durchaus bewusst, dass es manchmal oberflächlich nach „alles-ist-super“ aussieht. (Das nervt den einen oder anderen Leser vielleicht auch.) Und natürlich gibt es weiß Gott ernsthaftere Themen in der Welt als unsere Reise. Die Wahrheit ist: Es ist nicht immer alles toll!

Krank im Bett liegen zum Beispiel und auf die Ergebnisse vom Bluttest warten und hoffen, dass es kein Dengue-Fieber ist!

Bei uns gibt es auch Tage an denen wir keine Lust haben uns mit Flugrouten und Preisen zu beschäftigen. Da möchten wir lieber die Gegend erkunden als vorm Rechner oder Handy zu sitzen und zu recherchieren. Und richtig gut wird es, wenn sich nach mehreren Tagen Planung herausstellt, dass eine bestimmte Reiseroute leider eine Sackgasse ist und überhaupt nicht funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben! Das gehört natürlich auch dazu. Nur Spaß macht das dann nicht und da sind wir dann auch frustriert und zicken uns an.

Das gehört wahrscheinlich dazu, wenn man 24/7 aufeinander hockt. Mal ist Helge genervt, mal ich. Entweder weil irgendwas nicht funktioniert und wir z. B. in Phnom Penh nachts am Flughafen stehen und unser gerade eben über die App gebuchtes Taxi nicht finden können, dann endlich entdecken und der Fahrer uns plötzlich nicht mehr mitnehmen will. Währenddessen regnet es übrigens in Strömen und unsere Shirts sind schon vollkommen durchnässt!!! ARGH! Oder wir reden komplett aneinander vorbei und sind beide fassungslos über das Unverständnis des anderen sind. Doof, passiert aber und ist in dem Moment aus subjektiver Sicht auf jeden Fall einen Aufreger wert.

Zum Glück hält sich das in Grenzen und wir genießen unsere Reise um die Welt. Doch diese Seite des Reisens existiert eben auch. Es ist nicht immer alles nur eitel Sonnenschein. Gewitterwolken gibt’s eben manchmal auch. Manchmal wird auch ein Hurricane daraus.

Ist es so, wie wir uns die Weltreise vorgestellt haben?

Ja und nein. Das Reisen an sich ist wahnsinnig spannend. Wir lernen fremde Länder und Orte kennen und können ein bisschen in die Kultur des jeweiligen Landes eintauchen. Je länger wir in einem Land unterwegs sind, umso mehr bekommen wir ein Gefühl für die Menschen und ihre Lebensweise. In Indonesien ist uns das bisher am Besten gelungen. In erster Linie wohl, weil wir in Indonesien auch die meiste Zeit am Stück verbracht haben. Außerdem haben wir als Unterkunft fast immer ein Homestay gewählt. Das ist wie eine kleine Pension, die von der kompletten Familie betrieben wird. Der Kontakt ist oft sehr persönlich und es ergeben sich tolle Gespräche über die kulturellen Unterschiede oder auch die ganz persönlichen Gemeinsamkeiten.

Ein großer Aspekt unserer Weltreise ist die Reiseplanung. Die haben wir uns tatsächlich anders vorgestellt. Entspannter. Vor allem weniger aufwendig! Wir wollten von Anfang an keine durchgeplante Reise mit fixen Flugdaten und im Voraus gebuchten Hostels. Die Vorstellung an einen bestimmten Reiseplan gebunden zu sein gefällt uns nicht, denn dann können wir nicht spontan an einem Ort länger bleiben, wenn es uns dort gefällt. Es gibt viele Weltreisende die ebenfalls flexibel reisen und es genießen, so auch wir – total! Diese Art des Reisens hat natürlich auch eine Kehrseite. Der Aufwand ist definitiv nicht zu unterschätzen. Wie ist das Klima auf der Südinsel, wann sind Haupt- und Nebensaison. Gibt es Regenzeiten? etc.etc.

Wir überlegen uns für ein neues Land zwar eine grobe Route, doch die detaillierte Planung reicht immer nur für ein paar Tage. Das bezieht sich auf die Unterkünfte, auf den Transport von A nach B und C und auch wann wir ein Land wieder verlassen. Letzteres manchmal geplant, mit Blick auf das Visum. Also sind wir gezwungen uns alle paar Tage mit der Weiterreise auseinander zu setzen. Und das kostet viel mehr Zeit als wir dachten! Es funktioniert nicht, diese Dinge „mal eben nebenbei“ zu erledigen. Dafür müssen wir ganz bewusst einen oder mehrere Tage einplanen. Je nachdem wie viele Optionen und Etappen wir checken wollen.

Ein weiterer Zeitfaktor ist der Blog. Es macht uns total viel Spaß unsere Erlebnisse hier als digitales Reisetagebuch aufzuschreiben. Doch das braucht ebenfalls mehr Zeit als wir vorher dachten. Deshalb waren wir mit unseren Reiseberichten anfangs nicht immer ganz up to date, sondern manchmal schon von A nach B weitergereist, wenn der Beitrag über A im Blog erscheint. Für uns ist dabei wichtig, dass uns das Schreiben nicht stresst, sondern Spaß macht und uns die Beiträge inhaltlich gefallen und nicht einfach nur schnell runtergeschrieben sind.

Können wir uns einen anderen Alltag vorstellen?

Momentan nicht! Der Reise-Rhythmus ist super und wir haben ihn verinnerlicht und optimiert. Wir reisen (noch) langsamer. Wir sind neugierig auf neue Orte und Länder und die Menschen und ihre Kultur. Natürlich werden wir wieder sesshaft werden und einen „normalen“ Alltag haben. Aber das ist noch eine Weile hin. Für jetzt gerade ist es genau richtig wie es ist und es fühlt sich gut an.

Wie schaut die Zukunft aus?

Ein negativer Gedanke, welcher uns ständig durch den Kopf geistert: Wie sieht unsere Zukunft aus? Was machen wir wieder daheim? Wo ist daheim?

Da sind wohl doch „westlicher“ als uns lieb ist. Hier in Süd-Ost-Asien hat der Begriff der Arbeit eine andere Definition, z.B. wird sehr viel Wert auf die Gemeinschaft gelegt. So wird die gesamte Gemeinde bei Aktivitäten eingebunden, deren Erfolg und Profit allen zu Gute kommt. Wenn in einer Straße ein neues Haus gebaut wird, haben die Menschen aus der Nachbarschaft Arbeit während sie beim Hausbau helfen, wenn das Geschäftshaus denn fertig ist, gibt es neue Arbeitsplätze. Hier schaut der Häuslebauer nicht nur darauf, dass die eigene Tasche mit Geld gefüllt wird, sondern auch die seiner Nachbarn.

Vielleicht sind diese „Zukunftsängste“ darin begründet, dass wir keine „20“ mehr sind und wenn man sich Weltreise-Foren so durchliest, ist das „wiederzurückkommen“ doch schwieriger ist als angenommen. Und damit ist nicht der bloße Rückflug nach Deutschland gemeint. Sondern vielmehr die Integration in die „alte“ Welt, sei es einen Kleiderschrank und feste Tagesabläufe zu haben.

Wir können aktuell nicht behaupten eine Art Heimweh zu haben. Dank WhatsApp ist die Heimat näher als vermutet. Nur Gerüche und typische Gerichte fehlen dann doch manchmal…

Wie war es bei Euch, als Ihr von einer längeren Reise nach Hause gekommen seid? War es leicht oder schwer in den Alltag zurückzufinden? Wo genau lag die Schwierigkeit?

Für die Daheimgebliebenen: Habt Ihr vermutet, dass eine Langzeitreise auch "Schattenseiten" hat? Welche Dinge habt ihr nicht erwartet?

Wir sind gespannt auf Eure Meinungen in den Kommentaren!

5 Kommentare zu „Das Gefühl auf Weltreise zu sein“

    1. Das sind wir auch! Und spießig ist ja Definitionssache. Hauptsache es gefällt. Eigentlich wollen wir darüber ja noch gar nicht nachdenken, auch wenn diese Gedanken sich immer wieder einschleichen… Der neue Alltag ist dann vielleicht auch ein Abenteuer. Wenn frische Papaya mit Passionsfrucht und Yoga dazugehören kann es nicht so schlimm sein. Und sag jetzt nicht, dass Yoga nicht spießig klingt ?

  1. Schwesterchen

    Ein schöner Beitrag! Ich freue mich einfach riesig für euch und mit euch, dass ihr das durchgezogen habt… Es ist toll euch ein bisschen begleiten zu können. Und ich kann das mit der Nähe bzw. Distanz definitiv bestätigen, es fühlt sich gar nicht so schlimm an wie ich gedacht habe. Trotzdem freue ich mich natürlich darauf wenn ihr euer neues Daheim gefunden habt. 😉 Aber nun erstmal schön in Ruhe weiterleben und genießen! Ganz liebe Grüße von uns allen 🙂

    1. Zwischendurch schauen wir uns an und denken: Wahnsinn, wir sind tatsächlich auf Weltreise! Bei unserem Reisealltag gerät der Gedanke oft in den Hintergrund… Und so lange wir regelmäßig telefonieren seid ihr alle sowieso ganz nah dabei!

  2. Pingback: Ein Jahr auf Weltreise | wir woanders

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